Allgemein

Vom Sein oder Nichtsein eines AStA

Artikel aus unserer Semesteranfangsbroschüre (hier)

Im Mai 2012 hieß es zum ersten Mal seit langem wieder: Für einen politischen AStA! Als Hochschulgruppe waren wir erstmals Teil der AStA-Koalition zusammen mit Regenbogen, Piraten*, CampusGrün und Geiwi-Liste (toleriert durchs BAE) und arbeiteten dort im Referat für Hochschulpolitik, im Vorstand, im Finanzreferat und im neu geschaffenen Referat für Politische Bildung, Kultur und Kritische Wissenschaft. Eine Kernaufgabe des neuen AStA bestand für uns in der Politisierung der Studierendenschaft, des Campus‘ und der Uni. Dies war nach sechs Jahren ASten der Entpolitisierung, Serviceorientierung und Bekämpfung von Studierendenprotesten dringend notwendig. Im Gegensatz dazu haben wir mit unserer inhaltlichen Arbeit, mit der Organisation von Veranstaltungen, Vollversammlungen und Demos zur Politisierung erheblich beigetragen. Durch verschiedene Aktionen wollen wir Mitstudierende anregen und ermutigen, zu diskutieren, sich zu organisieren und verändernd einzugreifen. Statt zum Scheitern verurteilter, purer Serviceorientierung setzen wir auf politische Auseinandersetzungen und Mobilisierung für Veränderungen. Der AStA muss also noch viel stärker als politischer Ort auf dem Campus wahrgenommen werden. Veränderungen müssen immer darauf abzielen, dass sie Verbesserungen für alle darstellen. Ein linker AStA verbindet hochschul- und wissenschaftspolitische Fragen immer mit dem gesellschaftlichen Kontext und treibt die sozialen Kämpfe mit voran. Die momentane Studienstruktur begreifen wir als Teil der gegenwärtigen Organisation von Arbeit in der Gesellschaft, die wir nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive sinnvoll ändern können. „Studi-Probleme“ sind also immer im Kontext und nicht isoliert zu betrachten und zu bearbeiten.

Bild: S. Hüners

Mit diesem Politikverständnis haben wir den Campus erheblich aufgemischt und ein antikommunistisches Bündnis aus CDU-FDP-SPD-Jugenden sowie der EPB-, MIN- und WiWi-Liste, das sich kurz vor dem Ende der Vorlesungszeit ins AStA-Amt geputscht hat, gegen uns aufgebracht. Als Negativbündnis gegen den oben beschriebenen „Politischen AStA“ überträgt er das gescheiterte Konzept der unternehmerischen Hochschule auf den AStA (Selbst- verständnis als mittelgroßes Unternehmen), verbietet sich als Service-Einrichtung (Waffeln für gestresste Studis) sowie als parteipolitischer Bauchredner den Mund und bekämpft vehement die solidarische Selbstorganisierung der Studierenden (Etat des Frauen-Referats auf „0“ und Entziehung der Infrastruktur des Referats für Internationale Solidarität). In die Diskussion um die Novellierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes wurde sich erst gar nicht eingemischt und später dann, als bereits überall weitreichende Stellungnahmen (auf Drängen der Studierenden) verabschiedet worden sind, eine belanglose bis reaktionäre Stellungnahme verfasst. Die Hochschullandschaft als wirtschaftlicher Standortvorteil ist ein nicht zu unterschätzender Wachstumsmotor dieser Stadt und bleibt aufgrund der Unterfinanzierung weit hinter seinem [sic] Potential zurück. Bertelsmann hätte es nicht neoliberaler schreiben können.

Der AStA ist professionell organisiert und entspricht mit knapp 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einem mittelgroßen Unternehmen.
(Auszug aus der Selbstdarstellung auf der Homepage des aktuellen AStA)

Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will,
– und es ist sein Beruf, etwas zu wollen –
steht der Verstand erst stramm und zweitens still,
die Augen rechts und mit dem Rückgrat rollen.
Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen
und mit gezog’nem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren,
dort wird befördert, wer die Schnauze hält.
(Erich Kästner: Kennst du das Land wo die Kanonen  blühn?, 1928)

Angebliche oder wirkliche professionelle Organisierung – das lehrt uns sogar Lafontaine – sind bürgerliche Sekundärtugenden, mit denen man auch ganz andere Sachen machen könnte. Vom AStA aus soll uns also getreu der Ideologie des „Endes der Geschichte“ durch die vermeintlich entschiedene „Systemkonkurrenz“ wenige Jahre nach Ausbruch der großen Krise wieder vermittelt werden, dass die Zukunft nur als „Fortschreibung der Gegenwart“ zu haben sei, in der wir höchstens wählen dürften, ob wir einen schwarzen, gelben, lilanen oder grünen Kapitalismus haben möchten. Alles ist darauf ausgerichtet, den von Thatcher geprägten Satz There is no alternative! gegen sich zuspitzende systemische Widersprüche zu verteidigen. Untertänigkeit unter Marktdoktrin und Konkurrenz wird immer noch für Triumph gehalten. Und wenn Scholz und Merkel pfeifen, hat der Verstand der Parteisoldaten erst stramm und dann still zu stehen.
Das Voranschreiten in der Studienreform an der Uni Hamburg im konkreten zeigt dementgegen deutlich, dass Ansätze ganz anderer Politik überall vorhanden sind. Einer alternativen Politik also, die wir selbst sind, die eine Demokratisierung (v. a. auch der Wirtschaft) betreibt und die angesichts globaler Probleme nie dagewesenen Ausmaßes (Armut, Hunger, Kriege) dringend erforderlich ist. Die blinde Vorherrschaft des Marktes, die Entmündigung von Studierenden (und auch Lehrenden) durch allerlei Restriktionen (Prüfungslasten, Exmatrikulationen, wenn „zu lange“ studiert wird, Unterfinanzierung), die Entfernung von Wissenschaft zur Gesellschaft und ihren Problemen, die es zu beantworten gälte – all dies wird zunehmend hinterfragt. Eine Bewegung dafür, dass „endlich alles anders wird“ können wir nicht „wählen“, die müssen wir alle selbst sein. Ein linker AStA als echte studentische Interessenvertretung ist dafür extrem wichtig. Verfasste Studierendenschaft ist links, oder sie ist nicht!

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar