„Uns wurde bewußt, daß unserer Sprache die Worte fehlen, um diese Beleidigung, diese Zerstörung des Menschen zu beschreiben.“
(Primo Levi, italienischer Schriftsteller und Chemiker, Überlebender des Holocaust)
Die Reichspogromnacht jährt sich dieses Jahr am 9./10. November zum 75. Mal. In ganz Deutschland fielen organisierte Nazis und deutsche Bürger*Innen über Jüdinnen und Juden her, waren für den Tod von etwa 400 Jüdinnen und Juden verantwortlich und zerstörten über 1.400 jüdische Einrichtungen. Seien es Synagogen, Geschäfte, Wohnungen oder andere Einrichtungen, das Ziel dieser Zerstörungswut war die Vernichtung jüdischen Lebens in Deutschland. In den folgenden Tagen der Reichspogromnacht wurde die industrielle Vernichtung in den Konzentrationslagern eingeleitet, bundesweit wurden ungefähr 30.000 Jüdinnen und Juden deportiert.
Auf dem heutigen Josef-Carlebach-Platz (angrenzend an den Allende-Platz hinter dem ErzWiss-Gebäude) stand die Bornplatz-Synagoge, welche in der Reichspogromnacht geschändet wurde. In dieser Nacht wurde die Inneneinrichtung zerstört, später wurde die Synagoge von den Nazis durch Feuer gänzlich zerstört und die jüdische Gemeinde wurde gezwungen, die Überreste zu entfernen. In den darauf folgenden Tagen wurden etwa 1000 Hamburger Jüdinnen und Juden in die Konzentrationslager Fuhlsbüttel und Sachsenhausen deportiert. Einige kamen der Verschleppung durch Selbstmord zuvor.
Die Reichspogromnacht stellte auch in Hamburg die Wende von einer umfassenden Diskriminierung zur gezielten Verfolgung und Vernichtung dar. Das Grindelviertel, welches auch den Beinamen „Klein-Jerusalem“ trug, war als Zentrum jüdischen Lebens in Hamburg in besonderer Weise Ziel nationalsozialistischer Vernichtungsbemühungen.
Die Pogrome waren nur möglich, weil jegliche gesellschaftliche und politische Opposition zum Nationalsozialismus bereits seit 1933 vehement zerschlagen oder in die Illegalität vertrieben wurde.
„Man spricht vom drohenden Rückfall in die Barbarei. Aber er droht nicht, Auschwitz war er; Barbarei besteht fort, solange die Bedingungen, die jenen Rückfall zeitigten, wesentlich fortdauern.“
(Theodor W. Adorno: Erziehung nach Auschwitz)
Die hier geschilderten grausamen Ereignisse sind auch heute noch notwendigerweise, in Bezug auf ihre Bedeutung, aktuell. Sie dienen als Mahnung und Lehre, den antifaschistischen Kampf fortwährend zu führen und sie zeigen uns, welche gesellschaftlichen Positionen die Grundlage für rassistische und faschistische Verbrechen sind.
Schon vor der Machtübertragung ’33 an die Nazis waren Studierende und Burschenschaften an den Unis glühende Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie. Verbindender Kitt waren ausgeprägter Nationalismus (insbesondere die empfundene Schmach über den Friedensvertrag von Versailles), Antisemitismus und der Faschismus-befürwortende autoritäre Charakter.
Rechte Gesinnung und Burschis haben wir auch heute noch an den Unis, wohl in anderer Ausprägung als damals, aber das macht sie nicht weniger gefährlich oder antifaschistische Arbeit weniger notwendig.
In Zeiten von Konkurrenz und Leistungszwang finden sie wieder Anknüpfungspunkte für ihre Ideologie, die die Ungleichheit verabsolutiert und über Rassismus und Klassismus versucht, elitäre Strukturen zu etablieren und Teil der Herrschenden im Kapitalismus zu sein.
Dem gilt es sich zur Wehr zu setzen! Burschis bekämpfen, Apologeten der Ungleichheit kritisieren, Konkurrenz-schaffende Mechanismen hinterfragen!
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Mahnwache
Anlässlich des 75. Jahrestags der Reichspogromnacht
am Donnerstag, den 7. November 2013
von 15.00 – 17.00 Uhr
auf dem Joseph-Carlebach-Platz (Grindelhof)
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Veranstaltung des Auschwitz-Komitees zum Gedenken an die Pogromnacht 1938
GEGEN DAS VERGESSEN
Die Leere in Slonim – Erinnerung an Vernichtung und Widerstand
Donnerstag, 7. November 2013, 19.3O Uhr
Hörsaal 1, VMP 9 (ehem. HWP)
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Link zum dazugehörigen Flugblatt hier