Montag, 27. Juni um 18 Uhr (c.t.) im Raum S 08 im Fachbereich Sozialökonomie (ehem. HWP, VMP 9)
»Ganz gleich, wen Sie zum Präsidenten wählen werden, diese Person wird nicht in der Lage sein, die enormen Probleme, mit denen die arbeitenden Familien in diesem Land zu tun haben, zu lösen. Sie wird keinen Erfolg haben, weil die Macht des Konzerne-Amerikas, die Macht der Wall Street, die Macht der Kampagnenfinanciers so riesig ist, dass kein Präsident alleine gegen sie etwas ausrichten kann. […] Es geht nicht darum, Bernie Sanders zum Präsidenten zu wählen; es geht stattdessen darum, eine politische Graswurzelbewegung in diesem Land auf die Beine zu stellen.« (Bernie Sanders, August 2015)
Gegen die Macht der Konzerne, das politische Establishment und deren unheilige Allianz tritt Bernie Sanders – einziger unabhängiger Senator im US-Kongress – an für die Realisierung des Rechts auf gebührenfreie Bildung, öffentliche Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit. Mit dieser Orientierung hat die Sanders-Bewegung von 48 Vorwahlen bisher 21 gewonnen (drei unentschieden), Zusammenkünfte mit häufig zehntausenden Menschen begeistert und sämtliche Rekorde gebrochen, was das Sammeln von Klein-Spenden angeht. Im direkten Vergleich zu Trump erzielt Bernie Sanders mittlerweile einen dreimal größeren Vorsprung als Clinton gegenüber Trump. Damit ist die Bewegung um Bernie Sanders ein „Vorbote und Zeichen dafür, dass der Verdruss über die »marktkonforme Demokratie« so groß geworden ist, dass die Linke mit einer klaren antineoliberalen Botschaft wieder politische Mehrheiten gewinnen kann – und zwar eben nicht nur unter schwierigsten Bedingungen des gesellschaftlichen Zerfalls in der (Euro-)Peripherie (Griechenland), sondern mittlerweile auch wieder in den Zentren.“ (Ingar Solty im Neuen Deutschland vom 6.4.16)
Auch in der BRD ist der Verdruss über die marktkonforme Demokratie – ein Begriff den Angela Merkel geprägt hat – enorm groß; Resignation, Abstiegs- und Zukunftsängste steigen. Grund dafür sind Jahrzehnte von Lohn- und Rentenkürzung, hartz-IV und der Vermarktlichung sozialer Lebenswelten durch das neoliberale Projekt von CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNE. Um die Deutung und Gestaltung dieser sozialen Realität wird aktuell weltweit heftig gerungen. Ob Donald Trump in den USA, die FPÖ in Österreich oder die AfD in Deutschland: sie alle inszenieren sich als „Establishment-Schreck“, um die von Abstiegsängsten erfasste Mittelschicht und von den etablierten Parteien verratenen popularen Klassen für ein sozialdarwinistisches, rassistisches und kulturell spießiges Projekt zu gewinnen, das die herrschenden Verhältnisse retten soll.
Auf der linken Seite und dem entgegen verkörpert die Bewegung um Bernie Sanders, der sich selbst als ‚demokratischer Sozialist‘ begreift, eine politische Kraft, die der grassierenden gesellschaftlichen Ohnmacht und sozialen Ungleichheit kollektive Selbstermächtigung und Solidarität entgegensetzt. Beispielsweise unter dem Motto „Education is a right, not a privilege!“ wird für soziale Grundrechte statt Marktorganisation auf einen kollektiv-solidarischen Weg der Erlangung von politischer und sozialer Handlungsfähigkeit gesetzt.
Grundpfeiler des Programms sind gebührenfreie Bildung, flächendeckender Mindestlohn von 15 $, öffentliche Gesundheitsversorgung, Zerschlagung der großen Banken, massive Besteuerung des Reichtums, 1 Billion US-$ Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, öffentliche Wahlkampffinanzierung und schnelle Wege zur Staatsbürgerschaft für die Millionen illegalisierten ImmigrantInnen.
Was können wir hier in Deutschland von Bernie Sanders lernen, bspw. über neuen Mut zum Konflikt mit dem Establishment oder dem Umgang mit der veröffentlichten Meinung? Was lässt sich übertragen, was nicht? Und vor allem: was muss die Strategie der Linken in Hamburg und bundesweit sein? Zur Diskussion dieser Fragen haben wir Ingar Solty, Politikwissenschaftler und langjähriger Beobachter US-amerikanischer Politik, für einen Input und anschließende Diskussion eingeladen.
Ingar Solty ist Wiss. Mitarbeiter am Fachbereich Politikwissenschaft der York University in Toronto und Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Letzte Buchveröffentlichung: ‚Die USA unter Obama: Charismatische Herrschaft, soziale Bewegungen und imperiale Politik in der globalen Krise‘ (2013)
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